N+ AI

– Eine Hommage an Takemitsu II –

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In 2020, the COVID-19 pandemic sweeps across the world, causing widespread concern, fear and stress globally.

Yet our lives don’t stop, they just go on – with this invisible, unpredictable virus. We are now given the challenge of changing our everyday lives and structure to adapt to a new condition.

During the so-called “Corona period” I thought about the Japanese word Nai.
It means “nothing”, or adds negative meaning.
Essentially, it is often like this: if you cannot see or understand something, it causes fear.
This new condition, restricted due to COVID-19, make you worry about how our lives will be in the future.

In Zen Buddhism, however, “nothing” is one of the most important words. The term Nai is an experience imminent to the unity of all beings, borne by active vitality and stands in a lively way, contrary to a purely negative view of nothing.

Nai could therefore include both: the path as a meditative image of a whole and of unity as well as a way of representing the negative.

A composition for magnetic tape “Vocalism A.I. (1956)” by the Japanese composer Toru
Takemitsu, which I had once used as a source of inspiration, comes back to mind in this context.

The poet Shuntaro Tanikawa had given Takemitsu only the word Ai when he was asked to provide a text. With this one word Takemitsu worked on his piece. Ai is the Japanese word for love.
The resulting tape work becomes a milestone in musique concrète. However, the composer diverged from the European contemporaries: not the tone with a role of instrumental sound, but changing the timbre of the actual sound.

With the piece “N + AI”, I followed the structure of Takemitsu’s idea of musique concrète.
The core of the word is Nai instead of Ai. I asked two Japanese people to express feelings of Nai in the voice recordings. After all, with those voice recordings – according to the concept of musique concrète and modelled on Takemitsu – I experimented in composition.

The letter N is used in mathematics as a symbol for natural number. If you designate natural numbers without 0, you write N +. Accordingly, the title “N + AI” can also be understood as the set of natural numbers without zero plus the set of love.

( Deutsch)
Im Jahr 2020 hat alle Welt Angst vor COVID-19. Doch das Leben wird mit diesem unsichtbaren,
unberechenbaren Virus weitergehen – und wir sind nun dabei, unseren Alltag und Struktur an jene neuen, herausfordernden Bedingungen anzupassen.

Während der sogenannten „Corona Zeit“ habe ich über das japanische Wort „Nai“ nachgedacht. Auf Japanisch bedeutet Nai „nichts“ oder birgt etwas Negatives.
Es ist schließlich oft so: wenn man nichts erkennen oder verstehen kann, bringt es Sorgen. Unter unseren neuen, wegen COVID-19 eingeschränkten Bedingungen, fragt man sich jetzt, was unsere Zukunft bringen wird.

Im Zen-Buddhismus ist „Nichts“ jedoch eines der wichtigsten Wörter. Dem Begriff „Nai“ ist die Erfahrung der Einheit allen Seins immanent, getragen durch tätige Lebenskraft und steht so in einem lebhaften Gegensatz zu einer rein negativen Auffassung des Nichts.
„Nai“ könnte also beides beinhalten: Den Weg als meditatives Bild eines Ganzen und der Einheit sowie eine Art der Darstellung des Negativen.

Eine Komposition für Magnettonband, Vocalism A.I. (1956), des japanischen Komponisten Toru Takemitsu, die ich schon einmal als Inspirationsquelle genommen habe, kommt mir in diesem Zusammenhang wieder in den Sinn.

Der Dichter Shuntaro Tanikawa hatte Takemitsu, auf die Bitte hin einen Text zu liefern, lediglich das Wort „Ai“ geschrieben. Mit diesem einen Wort hat Takemitsu dann an seinem Stück gearbeitet. Ai ist das japanische Wort für „Liebe“ .
Die so entstandene Tonbandarbeit wird zum Meilenstein der „musique concrète“. Jedoch geht der Komponist anders vor als seine europäischen Zeitgenossinnen und -genossen: Nicht der einzelne Ton wird einem Instrumentalklang zugeordnet, sondern die Farbe des einzelnen Klanges geändert.

Mit dem Stück „N+ AI“ folge ich der Struktur des Stückes von Takemitsu. Den Kern des Stückes bildet dabei der Begriff „Nai“. In einem Interview befrage ich zwei Japaner, die in den Sprachaufnahmen ihre Gefühle des „Nai“ ausdrücken. Mit jenen Sprachaufnahmen habe ich schließlich – gemäß dem Konzept der „musique concrète“ und nach Takemitsus Vorbild – kompositorisch experimentiert.

Der Buchstabe „N“ wird in der Mathematik als Zeichen für „Natürliche Zahl“ benutzt. Wenn man natürliche Zahlen ohne 0 bezeichnet, schreibt man „N+“. Demzufolge kann man den Titel „N+AI“ auch verstehen als die Menge der natürlichen Zahlen ohne Null plus die Menge der Liebe.